Das Protokoll des Reutlinger Sommermärchens
„Ganz klar: Klassenerhalt.“ Rainer Renz, Teammanager unserer ersten Herrenmannschaft, hatte vor der Saison 2017 eine eindeutige Zielsetzung in der 2. Bundesliga. Was er und das ganze Team dann im „Reutlinger Sommermärchen“ erleben durfte, hätte niemand für möglich gehalten.
Der Start in die Saison

Nach einem spielfreien ersten Spieltag trat der TV Reutlingen freitags beim TV Ismaning an. Und der Mannschaft von Trainer Daniel Stöhr gelang ein Start nach Maß. Sie setzte sich deutlich mit 8:1 gegen die Bayern durch. Bereits nach den Einzeln war die Partie mit 6:0 für die Reutlinger entschieden, allein Tobias Simon an Position drei musste im ersten Satz in den Tiebreak, alle anderen Sätze gingen klar an die Schwaben. Den einzigen Punktverlust musste im Doppel die Paarung Samper-Montana/Berrer hinnehmen, die gegen die starken Marc Meigel und Marco Kirschner nie zu ihrem Spiel fanden.
Um einiges enger war am darauf folgenden Sonntag die Partie bei der SpVgg Hainsacker. Die ersten drei Einzel entschied der TVR für sich, Gianluca Mager, Gerard Granollers-Pujol und Jakob Sude hatten keine Probleme in ihren Matches. Doch der gute Start brachte nicht die erhoffte Ruhe in den folgenden Einzeln. „Da haben wir uns dann vielleicht ein wenig zu sicher gefühlt“, meinte Trainer Daniel Stöhr, „uns hat dann ein bisschen die Spannung gefehlt“. Jordi Samper-Montana und Tobias Simon verließ etwas das Glück, Florian Fallert erwischte gar einen rabenschwarzen Tag und war gegen einen stark aufspielenden Valentin Florez chancenlos. „Das hätten wir nach den ersten Einzeln nicht gedacht, dass es mit den Doppeln so eng wird.“ Nachdem Mager/Sude gewonnen hatten, Simon/Fallert ihr Match aber abgegeben mussten, fiel die Entscheidung mit der Paarung Samper-Montana/Granollers-Pujol gegen Endara/Perez. „Dieses Match war sehr lange auf der Kippe, gerade im ersten Satz ging es hin und her“, sagte Stöhr. Nach gewonnenem Tiebreak im ersten Satz hatten die Reutlinger im zweiten Satz keine Probleme mehr. Trainer Stöhr war erleichtert: „Eine richtige Zitterpartie heute. Ich bin aber sehr froh, dass wir nun mit zwei Siegen in die Saison gestartet sind.“
Klarer Sieg beim ersten Heimspiel

In ihrem ersten Heimspiel trat die erste Reutlinger Garde gegen den BASF TC Ludwigshafen an und gewann die Partie klar mit 8:1. Jordi Samper-Montana, Tobias Simon und Stephan Hoiss ließen in der ersten Runde ihren Gegner keine Chance, knapper waren dann die darauf folgenden Einzel. Spitzenspieler Lorenzo Giustino gewann im Duell mit Franzosen Alexandre Sidorenko den ersten mit 6:3, gab den zweiten Durchgang aber deutlich mit 1:6 ab. Im Matchtiebreak setzte sich dann die Power von Giustino durch und er entschied die Partie mit 10:8 im dritten Satz für sich. Ähnlich spannend machte es Lokalmatador Michael Berrer, der gegen den stark aufspielenden Rene Schule mit 10:6 im Matchtiebreak gewann. Weniger Glück hatte Florian Fallert. Er verlor gegen den Franzosen Vincent Thierry Schneider in zwei Sätzen. Die Niederlage Fallerts sollte der einzige Reutlinger Punktverlust bleiben. Trainer Daniel war anschließend erleichtert: "Das Ergebnis sieht deutlicher aus, als es war. Verlieren wir die zwei Matchtiebreaks wird das ein ganz anderes Spiel. Aber heute war das Glück auf unserer Seite."
Eine Wahnsinnsleistung im ersten Härtetest

Die Zeit war nach drei siegreichen Partien also für die erste Standortbestimmung gekommen. Sonntags stand das Spitzenspiel in der 2. Bundesliga Süd zwischen dem TV Reutlingen und dem TA SV Oberweier an. Und der TVR setzte sich in einem wahren Krimi im Heimspiel vor mehr als 300 Zuschauern mit 5:4 durch. „Ich bin vollkommen fertig“, sagte Reutlingens Trainer Daniel Stöhr, „das war sowas von eng zum Schluss.“ Nach den Einzeln war noch keine Entscheidung abzusehen. Einen immens wichtigen Punkt zum 3:3-Zwischenstand holte Jordi Samper-Montana nach einem Marathonmatch. Nach mehr als zwei Stunden hochintensivem Sandplatztennis rang er seinen Gegner Alexey Vatutin mit 10:3 im Matchtiebreak nieder. Zwischenzeitlich musste Samper-Montana kurz vor Krämpfen stehend vom Physiotherapeut behandelt werden. Mit der Unterstützung der Zuschauer und seiner Teamkollegen kämpfte er sich schließlich zum wichtigen Sieg für den TVR. Den entscheidenden Punkt im Doppel holte dann die Paarung Florian Fallert und Stephan Hoiss, die den ersten Satz abgeben mussten, dann aber zurück in die Partie kamen und den zweiten Durchgang mit 6:2 holten. Was dann im entscheidenden Matchtiebreak zu sehen war, strapazierte die Nerven aller Zuschauer. Die zwei anderen Doppel waren inzwischen beendet und der Zwischenstand auf 4:4 gesetzt. Der Platz war umringt von Spielern und Zuschauern. Absetzen konnte sich im Matchtiebreak keine der Paarungen, ein Spiel auf Messers Schneide. Nach dem Abwehren von 6 Matchbällen verwandelten die Reutlinger schließlich den Matchball zum 16:14. Danach gab es kein Halten mehr. Stöhr war mit den Nerven durch: „Ich bin sprachlos. Die Jungs haben gefightet bis zum Umfallen. Ich habe jetzt noch Gänsehaut“. Reutlingen rutschte mit diesem Sieg an Oberweier vorbei und war punktgleich hinter dem TC Großhesselohe auf Rang zwei.
Der Aufstieg rückt näher

Als nächstes musste der TVR zum brisanten Auswärtsspiel gegen den TC Wolfsberg Pforzheim. Reutlingen trat mit einigen Neuen in der Mannschaft an. So gaben Alessandro Giannessi, Jonathan Eysseric, Lorenzo Sonego und der Mannschaftsführer der zweiten Herrenmannschaft, Peter Mayer-Tischer, ihr Debut. Und allesamt erfolgreich. Giannessi hatte an Position eins keine Mühe, Eysseric und Sonego an Position zwei beziehungsweise drei gingen über die volle Distanz und behielten in ihren Matchtiebreaks die Nerven. Für Peter Mayer-Tischer lief es komplett rund. Er ließ seinem Gegner beim 6:3 6:1 keine Chance. Den fünften Reutlinger Punkt heimste Publikumsliebling Michael Berrer ein. Nur Jakob Sude an Position fünf musste sich im Matchtiebreak geschlagen geben. Die Doppel waren für die Partie dann nicht mehr entscheidend. Am Ende setzte sich der TVR mit 6:3 durch. So langsam konnte Trainer Daniel Stöhr den Gedanken eines möglichen Aufstieges nicht mehr von sich schieben. Inzwischen hatte er mit seinen Jungs Blut geleckt: "Wenn wir so weitermachen, könnte es tatsächlich klappen. Wir wollen jedes Spiel gewinnen. Und am Ende wird abgerechnet."
Zum Endspiel gezittert

Spannender als erwartet war es dann beim nächsten Spieltag, als der TVR den TSV 1860 Rosenheim empfing. Die Reutlinger kämpften die hauptsächlich aus Österreichern bestehende Rosenheimer Mannschaft mit 5:4 nieder. In den Einzeln wurden vier Partien im Matchtiebreak entschieden. Alessandro Giannessi, Jakob Sude und Peter Mayer-Tischer fehlte das Glück, nur Jonathan Eysseric hatte das bessere Ende für sich. Verlass war wieder auf die Punktegaranten Jordi Samper-Montana und Michael Berrer. „Ich hätte nicht gedacht, dass das nach den Einzeln so eng sein würde“, gestand Stöhr, verließ sich aber auf die Doppelstärke seiner Truppe. Und er wurde nicht enttäuscht. Florian Fallert, der für Peter Mayer-Tischer im Doppel auflief, zeigte zusammen mit Jakob Sude eine stabile Leistung zum vierten Reutlinger Punkt, das Spitzendoppel Giannessi/Samper-Montana hatte dagegen keine Chance. Den entscheidenden Punkt holte die Paarung Berrer/Eysseric, die am Ende bei Davis-Cup Atmosphäre die Nerven behielten. Dem Aufstiegsshowdown auf heimischer Anlage mit dem ebenfalls noch ungeschlagenen TC Großhesselohe nächsten Freitag stand damit nichts mehr im Weg. Egal wie dieses Spiel ausgehen würde, Stöhr war bereits jetzt stolz auf seine Jungs: „Das war bisher eine riesen Saison. Mit dieser Truppe macht das einfach Spaß. Jetzt schauen wir mal, was es gegen Großhesselohe zu holen gibt.“
Der TV Reutlingen steht Kopf

Und was sahen die Zuschauer beim Spitzenspiel? Den absoluten Wahnsinn in Reutlingen! Das war eine Wahnsinnsleistung! Der TV Reutlingen rang die Gäste aus Großhesselohe vor begeisterter Heimkulisse mit 5:4 nieder.
Als krasser Außenseiter ging der TVR in die Partie gegen den mit Spitzenspielern gespickten TC Großhesselohe. Unter anderem lief bei den Gästen Florian Mayer an Position zwei auf. Mayer traf auf Jordi Samper-Montana und sicherte den Punkt gegen den wacker kämpfenden Spanier. An Position vier siegte Tobias Simon für Reutlingen. Nervenaufreibend wurde es dann an Position sechs. Florian Fallert hatte gegen seinen Gegner im ersten Satz nicht den Hauch einer Chance, gab aber nie auf, fightete, kämpfte und rannte nach jedem Ball. Sein Einsatz lohnte sich. Er gewann den zweiten Satz im Tiebreak. Im entscheidenden Matchtiebreak lief Fallert dann wieder früh hinterher und beim Stand von 5:9 aus Fallerts Sicht rechnete niemand mehr mit dem zweiten Reutlinger Punkt, doch Fallert kam erneut zurück markierte tatsächlich nach vier abgewehrten Matchbällen das 2:1 für Reutlingen. Die Anlage stand Kopf und Trainer Daniel Stöhr war begeistert: "Das ist unglaublich, was der Flo da alles rausgefightet hat." In der zweiten Runde der Einzel nahm der Regen dann immer stärker zu und die Begegnungen wurden in der Halle fortgesetzt. Jonathan Eysseric spielte eines seiner besten Matches und ließ seinen Gegner Uladzimir Ignatik beim 6:1 6:2 abblitzen. Michael Berrer profitierte nach anfänglichen Schwierigkeiten von der Verlegung in die Halle und gewann mit 6:4 6:1. Nur Gerard Granollers-Pujol kam mit dem Teppich nicht zurecht und überließ den zweiten Punkt den Gästen. Nachdem die Doppel zwei und drei recht deutlich verloren gingen, entschied sich das Spitzenspiel im Doppel Eysseric/Berrer gegen Ignatik/Golubev. Und die Reutlinger wuchsen über sich hinaus. Gerade Michael Berrer beging im zweiten Satz gefühlt keinen Fehler mehr, Eysseric stellte mit seiner Power ihre Gegner immer wieder vor Probleme und sie verwandelten ihren ersten Matchball zum 6:3 und 7:6. Die Halle tobte, das Team rastete aus, ein nie für möglich gehaltener Sieg war perfekt. Stöhr konnte seine Emotionen kaum in Worte fassen: "Wahnsinn. Hätte ich nie gedacht. Aber wir sind einfach ein geiles Team." Jetzt durfte geträumt werden. Mit einem Sieg beim TC Weiß-Blau Würzburg konnte der Aufstieg perfekt gemacht werden.






Der TV Reutlingen ist Meister!

Und es war vollbracht! Die erste Herrenmannschaft des Tennisverein Reutlingen hat den Aufstieg in die erste Bundesliga geschafft. Nachdem der Grundstein für den Aufstieg mit dem Sieg im Spitzenspiel gegen den TC Großhesselohe gelegt wurde, hat das Team von Trainer Daniel Stöhr nun beim TC Weiß-Blau Würzburg den "Deckel drauf" gemacht. Ein deutliches 9:0 unterstrich am Ende noch ein weiteres Mal die Stärke und den Teamgeist der Mannschaft. Am härtesten zu kämpfen hatte Publikumsliebling Michal Berrer, der gegen einen stark aufspielenden Pablo Fugueroa den ersten Satz abgeben musste, im zweiten dann Break vorne war, als sich sein Gegner bei einem Sprint verletzte und aufgeben musste. Ebenfalls von der Aufgabe seines Gegners profitierte Gerard Granollers-Pujol, dessen Kontrahent sich beim Aufheben eines Balles die Schulter auskugelte. Nach den siegreichen Einzeln wurde dann mit den knapp 30 (!) mitgereisten Reutlinger Fans schon gefeiert und die Sektkorken knallten. Die Spieler feierten ihren Trainer und ihren Teammanager Rainer Renz, der voll des Lobes für seine Truppe war: „Das war eine großartige Saison wie sie niemand für möglich gehalten hätte. Nicht im Entferntesten hatten wir das so geplant.“ Die Freude war ihm aber ins Gesicht geschrieben: „Mit diesem Team diesen Erfolg zu feiern, das ist was ganz Besonderes.“ Und ihr Trainer Daniel Stöhr rang einmal mehr nach Worten: „Wie jede Woche bin ich etwas sprachlos, was mein Team für eine Leistung zeigt. Ich bin wahnsinnig stolz auf die Jungs und bin ein riesen Fan von ihnen.“ Die Vorbereitung auf das Abenteuer erste Bundesliga können nun starten. Das Team allerdings, so sind sich alle einig, soll nicht verändert werden. „Die Jungs haben sich das verdient“, sagte Stöhr stolz.





